Nach einer langen Geburtsvergessenheit kundigt sich eine Wiederkehr der Geburt in den Kultur- und Sozialwissenschaften an, die durch gravierende Veranderungen im kollektiven und individuellen Imaginaren und durch Umbruche in den Praktiken, Erzahlungen und Bildern der Geburt bestimmt wird. Die Geburt gewinnt eine neue Sichtbarkeit in den Medien und in der Offentlichkeit, zu der auch das medizinische System mit seinen Techniken der Sichtbarmachung des Unsichtbaren beitragt. Einerseits verstarkt die Professionalisierung der Geburtshilfe die Angst vor der mit der Geburt verbundenen Ungewissheit; andererseits tragt sie zur Erhohung der Sicherheit von Mutter und Kind bei. Wurde die Geburt von Nachkommen als Ausdruck weiblicher Potenz und Kompetenz begriffen und lange an Eheschlieung und Familie gebunden, so vollzieht sich gegenwartig eine Pluralisierung und Individualisierung der Geburt und der familiaren Lebensformen mit der Entstehung neuer konfliktreicher Arbeits-, Lebens-, Gender- und Beziehungsformen.